Beitrag auf der Webseite vom Clanys-Euchsfeld Blog, veröffentlicht am 11.04.2020
Quelle/Link: Clanys-Euchsfeld Blog
Die traditionelle Walz ist seit jeher eine spannende Herausforderung. Auf der Wanderschaft durch Länder und Regionen können junge Handwerksgesellen vielseitige Berufserfahrungen sammeln, die Welt kennenlernen, neue Freundschaften knüpfen und schließlich auch die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln. Die Zimmermannsgesellen Peter Lambertz und Jonah Hartke kamen zu Fuß von Hannover nach Duderstadt, um den Westerturm zu sehen – doch mitten in der Coronakrise ist vieles anders als sonst.
Peter Lambertz stammt aus dem friesischen Varel und ist seit über drei Jahren auf Wanderschaft, Jonah Hartke aus Magdeburg seit acht Monaten. Beide gehören dem Schacht „Gesellschaft Freie Vogtländer Deutschlands“ an und tragen auch die entsprechende Kluft: Schwarze Weste und Hose mit drei Perlmuttknöpfen an den Schlägen und zwei Knöpfe am Revers des Jacketts, dazu den Hut mit Krempe. Das Erkennungszeichen – die Ehrbarkeit – ist die goldene Handwerksnadel im eingeschlagenen Hemdkragen. Der goldene Ohrring wurde ins Ohrläppchen genagelt. Damit soll die „letzte Schuld“ beglichen werden – das eigene Begräbnis, falls einem unterwegs etwas zustößt. Das spärliche Gepäck hängt am Stock.
Wer auf die Walz geht, muss unverheiratet und schuldenfrei sein, eine abgeschlossene Handwerksausbildung vorweisen können, der Gewerkschaft angehören und darf noch keine 30 Jahre alt sein. Nicht entscheidend sind Nationalität, Religion und Herkunft. Die Wanderschaft der Freien Vogtländer dauert mindestens zwei Jahre und einen Tag. Während dieser Zeit darf man seinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen. Handys sind nicht erlaubt. „Die ersten Tage vermisst man das Handy, aber dann ist es total befreiend, nicht immer erreichbar zu sein“, sagt Peter. Erlaubt ist aber, irgendwo in den weltweit verstreuten Herbergen einen Computer zu benutzen, um Berichte und Nachrichten zu verschicken und sich zu informieren.