Beitrag auf der Webseite vom Göttinger Tageblatt, veröffentlicht am 09.04.2020
Quelle/Link: Göttinger Tageblatt
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Entdeckung: Käfer des Jahres lebt in und um Fuhrbach
Ortsbürgermeisterin sichtet mehrere Exemplare: Vorkommen dort war bislang unbekannt
Fuhrbach/Göttingen. Er ist das Insekt des Jahres und besonders selten: der schwarzblaue Ölkäfer. Im eichsfeldischen Fuhrbach scheint sich das vom Aussterben bedrohte Tier wohlzufühlen. Ortsbürgermeisterin Beate Sommerfeld und ihre Nachbarn haben nicht nur einen, sondern gleich mehrere der raren und giftigen Gesellen beobachtet.
„Ich dachte erst, ,Was ist das denn?’, so einen Käfer habe ich ja noch nie hier gesehen”, sagt Sommerfeld. Die Ortsbürgermeisterin bezeichnet sich selbst all Käfer- und Insektenfreundin. Deshalb sei ihr das bemerkenswerte, schwarz glänzende Exemplar, das ihr über den Weg lief, gleich aufgefallen. „Und einen Tag später habe ich noch einen gesehen”, erzählt sie. Und damit nicht genug. Die nächste Sichtung brachte ein noch selteneres Ergebnis: „Es waren sechs Käfer an einer Stelle”, so Sommerfeld. Über ihre Beobachtungen tauschte sie sich mit den Nachbarn aus und siehe da: „Dort wurde auch ein Ölkäfer gesichtet”, so Sommerfeld.
„Das ist etwas ganz Besonderes”, sagt Fionn Pape. Er ist Biologe und Mitglied der Biologischen Schutzgemeinschaft (BSG) in Göttingen. „Bislang sind uns nur eine Handvoll Standorte im Landkreis Göttingen bekannt, an denen das Tier überhaupt zu finden ist“, sagt er. Fuhrbach war bislang nicht darunter.
Das Insekt des Jahres stehe auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Der Käfer, der nur in einer engen Symbiose mit bestimmten Wildbienenarten überleben kann, sei eine „Indikatorart”. Das heißt, er lebt nur dort, wo ein funktionierendes Habitat zu finden ist. Die Ölkäfer, so Pape, seien von März bis Mai zu beobachten. Dann machen sich die Weibchen auf den Weg, ihre Eier abzulegen. Das hat Sommerfeld beobachtet: „Es sah so aus, als hätten die Tiere ganz schön daran zu schleppen”, sagt sie.
Der Käfer enthält das Reizgift Cantharidin. In Honig zubereitet, gehörten Ölkäfer früher zu den bekanntesten „Liebestränken”. Allerdings trägt ein einziger Käfer eine tödliche Dosis Cantharidin für einen Erwachsenen in sich. Laut dem Naturschutzbund Nabu wurde er deshalb im antiken Griechenland für Hinrichtungen eingesetzt, Morde mit dem Käfergift sind bis in die Neuzeit bekannt.
Die Larven des schwarzblauen Ölkäfers, die im Jahr nach der Eiablage schlüpfen, krabbeln auf Blüten. Und dort auf die Wildbienen, die sie dann in ihre Nester im Boden schleppen. Nur dort können die Larven überleben und sich zum Käfer entwickeln. Die Bienen und sie leben friedlich zusammen.
Dieser komplizierte Lebenszyklus sei „sehr fehleranfällig”, so Pape. Die Käfer brauchen die Wildbienen und die Wildbienen möglichst lockere, sonnige Böschungen und Böden. Offenbar finden sie in und um Fuhrbach genau solche Bedingungen vor. „Der bevorzugte Lebensraum der Bienen sind Magerrasen mit lockerer Vegetation, denn diese Bienen nisten nur im Boden” erklärt Pape.
Sowohl die Bestände der Wildbienen als auch die der Käfer seien stark zurückgegangen. „Das ist symbolisch für das Insektensterben”, so Pape. Deshalb sei es für die Naturschützer des Arbeitskreises „Wildbienen“ und der BSG wichtig, die Vorkommen und Standorte zu kartieren. Die „empfindlichen” Lebensräume gelte es dringend zu schützen. Dort, wo solch eine Population bedrohter Tiere lebe, sollten Menschen nicht eingreifen.
Wer solche Käfer beobachtet: Fotos von Ölkäfern mit Angaben zum Fundort können an den Arbeitskreis „Wildbienen“ der Biologischen Schutzgemeinschaft geschickt werden: ak-wildbienen@biologische-schutzgemeinschaft.de
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Quellenangabe: Eichsfelder Tageblatt vom 09.04.2020, Seite 9